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DIE ENTSTEHUNG DER WELT

 

Die Welt wird aus dem Chaos geboren

Diese Geschichte gleicht keiner anderen, denn sie beginnt vor langer, langer Zeit, früher als alle Geschichten, die je erzählt worden sind. Um sie wirklich von vorn zu beginnen, müssen wir weit zurückgehen und uns auf die Suche nach dem Anfang machen, dem Anfang der Zeit, den es niemals gegeben hat...

 

chaos

 

In jener fernen Vergangenheit existierte bereits seit undenklichen Zeiten ein Gott, der den Namen Chaos trug. Chaos lebte ganz allein, um ihn herum war nichts als völlige Leere. Es gab weder Sonne noch Licht, weder Erde noch Himmel, nichts als unendliche Leere und tiefe Dunkelheit.

 

Jahrhunderte und Jahrtausende vergingen auf diese Weise, bis Chaos es endlich müde war, allein zu sein. So begann er, über die Erschaffung der Welt nachzudenken.

 

Als Erstes gebar er die Erdgöttin, die die Griechen Gaia nannten. Sie war unbeschreiblich schön. Voller Kraft und Leben wuchs sie heran, wurde breit und fest und umschloss unermessliche Weiten in ihrer Umarmung. Auf sie gründete sich unsere Welt.

 

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Dann brachte Chaos den furchtbaren Tartaros und die schwarze Nacht hervor und gleich darauf den lieblichen, strahlenden Tag.

 

Das Reich des Tartaros war über alle Begriffe tief und dunkel, es lag so tief unter der Erde wie das Chaos über ihr. Wenn man einen eisernen Amboss aus dem Chaos fallen ließe, so würde er neun Tage und neun Nächte fallen und erst im Morgengrauen des zehnten Tages die Erde erreichen. Fiele er hierauf von der Erde weiter in den Tartaros hinab, wäre er abermals neun Tage und neun Nächte unterwegs, bis er endlich in der Morgendämmerung des zehnten Tages die tiefste Tiefe des Tartaros erreichen würde. So tief unter der Erde lag der Tartaros, deshalb war die Dunkelheit in ihm undurchdringlich und schwarz. Zudem war er grenzenlos. Könnte man ihn betreten, würde man ewig fortschreiten, von rasenden Wirbelwinden vorangetrieben, und hätte selbst in einem Jahr das andere Ende nicht erreicht.

 

Mitten in dieser schrecklichen Gegend, die sogar von den Unsterblichen gefürchtet wurde, erhob sich das dunkle Schloss der Nacht, das in alle Ewigkeit in schwarze Wolken gehüllt war. Hierhin zog sich die Nacht bei Tagesanbruch zurück, und wenn der Abend dämmerte, breitete sie sich erneut über die Erde aus.

 

Uranos herrscht über die Welt

Nachdem Chaos sein Werk vollendet hatte, war es an der Zeit, dass die Erdgöttin bei der Erschaffung der Welt half. Sie wollte mit etwas Schönem beginnen und gebar die Liebe, die Göttin, die die Schönheit des Lebens in die Welt brachte. Dann gebar sie den endlosen blauen Himmel, die Berge und das Meer, mächtige Götter, von denen Uranos, der Himmel, der stärkste war. So gestaltete Gaia, die Mutter aller Dinge, die Welt, und sie fand Gefallen an ihrer Schöpfung.

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Nun war Uranos der mächtigste Gott. Er hüllte die Erde in seinen blauen Mantel und bedeckte sie von einem Ende zum anderen. Sein prächtiger goldener Thron wurde von vielfarbigen Wolken getragen, von ihm aus herrschte er über die ganze Welt und alle Götter.

 

Uranos heiratete Gaia und zeugte mit ihr viele Götter, unter ihnen die zwölf Titanen, von denen sechs männlichen und sechs weiblichen Geschlechts waren. Von riesenhafter Gestalt, verfügten sie über gewaltige Kräfte. Einer von ihnen, Okeanos, breitete sich über die ganze Erde aus und erfreute sich einer zahlreichen Nachkommenschaft. Alle Flüsse der Erde waren seine Kinder, und seine dreitausend Töchter, die Okeaniden, galten als Göttinnen der Quellen und Bäche.

 

Ein anderer Titan, Hyperion, zeugte mit der Titanin Theia drei anmutige Götter: die helle Sonne, die rosenfingrige Morgendämmerung und den silbernen Mond.

 

Der jüngste der Titanen war der listige und ehrgeizige Kronos. Von ihm wird im Weiteren noch ausführlich die Rede sein.

 

Kinder des Uranos und der Gaia waren auch die zornigen Kyklopen, ungeschlachte Riesen, die nur ein einziges Auge mitten auf der Stirn hatten. Diese Götter hatten das Feuer in ihrem Besitz und geboten über Blitz und Donner. Sie lebten in den Bergen, wo sie auf einem Gipfel ein ewiges Feuer unterhielten. Diesen riesigen Vulkan benutzten sie, um Rüstungen und Waffen zu schmieden. Die Kyklopen waren Geschöpfe von fürchterlicher Kraft, wenn sie zwischen den Bergen einhergingen, blitzte und donnerte es, und die ganze Welt erzitterte unter ihrem Schritt.

 

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Doch von allen Kindern des Uranos waren die drei Hundertarmigen am größten und schrecklichsten. Es waren Riesen, deren Kraft so groß war, dass sie mit ihren hundert Armen Felsen von der Größe ganzer Berge durch die Luft schleudern und damit die Erde erschüttern konnten.

 

Eine Vielzahl von Göttern gab es nun, doch nach wie vor herrschte Uranos über die Welt und sorgte dafür, dass alle Dinge ihre Ordnung hatten. Er war ungeheuer stark, deshalb waren seine Wünsche Gesetz, und alle gehorchten seinen Befehlen. Die Jahre seiner Herrschaft waren glückliche Jahre, denn es gab weder Tod noch Bosheit noch Hass.

 

Aber alle Dinge haben einmal ein Ende. Eines Tages geriet Uranos über seine Kinder, die Titanen und die Hundertarmigen, in großen Zorn. Sie waren ihm ohne Ehrerbietung begegnet, daher beschloss er, sie streng zu bestrafen. Als Gaia sah, wie wütend er war, fiel sie vor ihm auf die Knie und flehte ihn an, ihnen zu vergeben.

 

„Mein Herr und Gebieter“, rief sie, „Herrscher über die ganze Welt, ich bitte dich, vergib unseren Kindern und stürze die Familie der Götter nicht ins Verderben.“

 

Der Zorn des Uranos war jedoch nicht zu besänftigen. „Mutter der Götter“, entgegnete er, „wenn Kinder aufhören, ihren Vater zu achten, müssen sie verbannt werden. Lasse ich sie ungestraft, so werden sie mich erneut herausfordern und mich möglicherweise gar vom Thron der Götter stoßen.“

 

Mit diesen Worten öffnete er die Erde und schleuderte die Titanen und die Hundertarmigen in die dunklen Tiefen des Tartaros hinab. Weder das Licht des Tages noch der schwache Widerschein der Nacht drang zu ihnen, überall war nur tiefe, undurchdringliche Finsternis ohne Ende.

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Kronos stößt Uranos von seinem Thron

Gaia wollte es schier das Herz brechen, als sie die eigenen Kinder in ihrem Inneren gefangen wusste. Sie beschloss, mit ihnen zu reden und sie zum Widerstand zu bewegen. „Wehe mir“, sprach sie, als sie ihre Kinder gefunden hatte, „wie kann ich bis in alle Ewigkeit mit dem Wissen weiterleben, dass meine Kinder im finsteren Tartaros eingeschlossen sind? Wer von euch bringt den Mut auf, der neue Herr über die Götter zu werden? Euer Vater hat lange genug geherrscht. Nun ist es Zeit, dass ein anderer an seine Stelle tritt.“

Cronus casts Uranus from his throne

 

Die Titanen senkten die Köpfe, desgleichen die Hundertarmigen. Uranos war über alle Maßen stark und jetzt in seinem Zorn noch weitaus Furcht erregender. Doch es gab einen unter ihnen, dessen Augen vor Freude leuchteten. Das war Kronos, der sich stets danach gesehnt hatte, selbst Herrscher über die Welt zu werden. Er wusste, dass Uranos seine Kinder nicht zu Unrecht in den Tartaros geschleudert hatte. Nun aber war seine Stunde gekommen.

 

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Mit Hilfe der Mutter floh Kronos aus seinem dunklen Gefängnis und gelangte wieder an die Erdoberfläche. Des Lichts entwöhnt, war er im ersten Moment so geblendet, dass er nichts von der Welt um ihn herum wahrzunehmen vermochte. Aber bald gewöhnten sich seine Augen an die Helligkeit, und Kronos sah die Schönheit der Erde mit ihren hohen Bergen, dem weiten blauen Meer und dem grenzenlosen, lichterfüllten Himmel, während er die Wärme der Sonne wie eine zarte Liebkosung auf seiner Haut spürte.

 

„Mutter Erde“, rief er aus, „ich danke dir, dass du mich diese wunderbare Welt erneut hast sehen lassen, diese Welt, die bald mir gehören wird. Doch nun lebe wohl. Ich weiß, was ich zu tun habe.“

 

Kronos entschwand den Blicken der Mutter. Nachdem er sich eine große Sichel angefertigt hatte, hüllte er sich in eine Wolke und flog hoch in den Himmel hinauf, um dort auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Diese stellte sich bald ein. Als Uranos schlief, schlich er sich heimlich an ihn heran, und im nächsten Augenblick war die Tat schon vollbracht. Kronos verwundete seinen Vater mit der Sichel so schwer, dass dieser in Zukunft weder in der Lage war, über die Welt zu herrschen, noch weitere Kinder zu zeugen.

 

„Ein zweifacher Erfolg“, sagte sich Kronos, „denn nun habe ich von Uranos nichts mehr zu befürchten.“ Kaum jedoch war ihm dieser Gedanke durch den Kopf gegangen, als sich der Tag verdunkelte, Donner und Blitz die Welt erzittern ließen und des Vaters schreckliche Stimme wie das Gebrüll eines wilden Tieres widerhallte:

 

„Verflucht sollst du sein, abscheuliche Brut, mögen deine Kinder dir mit Gleichem vergelten, was du deinem Vater angetan hast!“

 

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Jeder andere wäre vor Schreck erstarrt, hätte er einen solchen Fluch vernommen, Kronos dagegen blieb völlig ungerührt. Er war so glücklich über seinen Erfolg, dass er keinen störenden Gedanken zuließ. Nachdem er auch die übrigen Titanen aus dem Tartaros befreit hatte, fühlte er sich noch sicherer, denn auf sie konnte er seine Herrschaft gründen. Die Hundertarmigen aber ließ er eingesperrt, denn er fürchtete ihre Stärke, während er die Titanen so gut kannte, dass er sich ihrer stets bedienen konnte, um seine eigenen Interessen zu fördern. Nur ein Einziger von ihnen verweigerte Kronos seine Unterstützung. Es war Okeanos, dem es ruchlos erschien, dass ein Sohn seinen eigenen Vater verwundet und vom Thron verdrängt. Deshalb wollte er an den Plänen des Kronos keinen Anteil haben. Er zog sich in die entlegensten Winkel der Erde zurück und lebte in Frieden, ohne sich an der ungesetzlichen Herrschaft seines Bruders zu beteiligen.

 

Durch die schändliche Tat des Kronos kam großes Unheil über die Welt. Um ihn zu strafen, gebar die Nacht einen Schwarm furchtbarer Gottheiten: den Tod, den Betrug, den Alptraum, die Zwietracht, die Rachsucht und viele andere. Kronos herrschte nun auf dem Thron seines Vaters über eine Welt voller Schrecken, Betrug, Hass, Angst, Rachsucht und Krieg. Götter und Menschen würden künftig für sein Vergehen büßen müssen.

 

Die Geburt des Zeus

Es dauerte nicht lange, bis auch der allmächtige Kronos von Furcht erfasst wurde. Er war sich jetzt nicht mehr so sicher, dass seine Herrschaft ewig währen würde. Mit Schrecken gedachte er seines Vaters Fluch und fürchtete, dass sich seine eigenen Kinder gegen ihn auflehnen würden, so wie er selbst sich gegen Uranos erhoben hatte.

 

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Aus diesem Grund fällte er eine schreckliche Entscheidung. Er befahl seiner Gemahlin Rhea, ihm jedes Kind zu bringen, das sie bekommen würde, um es dann sogleich zu verschlingen. So verschlang er fünf Kinder, die ihm Rhea geboren hatte: Hera, Demeter, Hestia, Hades und Poseidon.

 

Dann erwartete Rhea wiederum ein Kind und war verzweifelt. Sie wusste sich keinen Rat, wie sie es retten konnte. Deshalb ging sie zu ihren Eltern, Uranos und Gaia, die ihr rieten, ihr Kind auf Kreta zur Welt zu bringen. Dort im Diktegebirge gab es eine heilige Höhle, die im dichten Wald wohl verborgen war. Rhea tat, wie ihr geheißen wurde, und vertraute ihr Kind den Waldnymphen an, die bei der Geburt geholfen hatten. Dann kehrte sie heimlich in den Palast des Kronos zurück und täuschte Geburtswehen vor.

 

Der fürchterliche Kronos glaubte wirklich, dass seine Gemahlin in den Wehen lag, und versäumte nicht, sie an seinen grausamen Befehl zu erinnern. „Komm rasch zu Ende, Weib, ich kann dein Geschrei nicht ertragen, und bringe mir das Kind, sobald es geboren ist.“ Mit diesen herzlosen Worten verließ er Rheas Gemach.

 

Kaum war er hinausgegangen, nahm Rhea einen Stein, hüllte ihn in Windeln, sodass er ganz darin verborgen war, und brachte ihn ihrem Mann anstelle des Kindes. Kronos schöpfte keinen Verdacht, er verschlang den Stein und war beruhigt.

 

Das Kind, das auf diese Weise gerettet wurde, trug den Namen Zeus.

 

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Die Welt wird aus dem Chaos geboren | Uranos herrscht über die Welt | Kronos stößt Uranos von seinem Thron | Die Geburt des Zeus

 

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Απόσπασμα από το βιβλίο Die Götter des Olymp του Μενέλαου Στεφανίδη
Copyright © by Dimitris Stefanidis. All rights reserved.
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Die Götter des Olymp cover

1. Die Götter des Olymp

(γερμανική γλώσσα)

διαθέσιμο και στα αγγλικά, γαλλικά και ρωσικά